Buenos Aires wird zur Hängepartie
Wenn wir das gewusst hätten! Wie oft wir diesen Gedanken in den ersten Wochen gewälzt haben. Als wir uns nach unserem Heimaturlaub von Deutschland verabschiedet und nach Argentinien aufgemacht hatten, freuten wir uns noch auf die geplanten zwei Wochen in der Großstadt. Wir wollten uns die Metropole anschauen und ein bisschen Spanisch lernen. Damals ahnten wir noch nicht, dass aus den zwei Wochen schließlich zwei ganze Monate werden sollten und wir Ende November immer noch in einem Apartment auf die Ankunft des Schiffes mit unserem Container warten würden. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir die Zwischenzeit sicherlich sinnvoller nutzen können und wären dann später erst von Deutschland losgeflogen. Aber manchmal kann man die Dinge nicht beeinflussen und dann muss man einfach durch. So verbrachten wir schließlich zehn Wochen in Buenos Aires, zogen mit Sack und Pack aller zwei Wochen in ein anderes AirBnB und streiften durch alle möglichen Stadtteile. Wir versuchten, uns nicht verrückt machen zu lassen und einfach geduldig zu sein. Leider erfuhren wir von den Verspätungen des Schiffes immer nur kleckerweise und sehr schleichend, sodass wir auch ein Ausweichprogramm schlecht planen konnten. Zum Empfang des Containers mussten wir dann natürlich pünktlich im Hafen von Montevideo sein.
So schauten wir uns anfangs jeden Tag ein bisschen was von Buenos Aires an, es gab nämlich sehr viel zu entdecken. Neben den ganzen Märkten, Kirchen und Plätzen war immer wieder Livemusik und gutes Essen präsent. Es gab viel Fleisch vom Grill an jeder Ecke. Vor allem an den Wochenenden ging es dann ab. Egal zu welcher Tageszeit, am Wochenende ist in Buenos Aires einfach immer was los. So stolperten wir regelmäßig in wallende Umzüge voller Farben, Musik und Tanz. Oder wir fanden uns plötzlich in einem kilometerlangen Markt gefüllt mit Handwerkszeug und Andenken wieder. Dann gab es Mueseumsnächte, Festivals, Livemusik, kostenfreie Klassikkonzerte, mehr Umzüge mit lauten Trommelgruppen, Tangomilongas und und und. Und das Wetter war auf unserer Seite, meistens zwischen 20 und 30 Grad und sonnig.
Auch die Architektur war einfach nur umwerfend. Es gab richtig viele wunderschöne und große Palazzien und öffentliche Gebäude wie Botschaften oder Museen zu bestaunen. Oftmals waren diese mit aufwändigen Fassaden versehen, stuckverziert und verschnörkelt – meist in gutem Zustand, wenn auch hier und da mal ein bisschen der Putz abbröckelte. Im gewaltigen Gebäude des Nationalkongresses bekamen wir eine private Führung durch die auffallend europäisch gestalteten Räumlichkeiten. Gleich in der ersten Woche nahmen wir an einer Stadtführung teil und entdeckten dabei einige sehenswerte Schätze. Kurzfristig kauften wir uns Tickets für das berühmte Teatro Colón, das international für seine gute Akustik bekannt ist und als eines der besten Opernhäuser der Welt gilt. Zusammen zahlten wir für unsere Stehplätze umgerechnet gerade mal zwölf Euro, dann stiegen wir sechs Etagen in die Höhe. Von dort hatten wir die Bühne sehr gut im Blick. Schon in den ersten Klängen lag eine unglaublich klare und direkte Akustik, selbst so weit oben konnten wir die Musik von Donizetti, Sibelius und Bruckner intensiv genießen.
Die Wochen zogen sich so dahin und wir trauten uns manchmal kaum, die Webseite für das Containertracking neu zu laden. Immer wieder kamen ein paar Tage Verzögerung hinzu. Wir versuchten trotzdem das beste aus der Zeit zu machen und lernten etwas Spanisch, was vor Ort dringend benötigt wird. Selbst auf offiziellen Stellen oder Touristeninformationen war es schwer, jemanden zu finden, der nur ein bisschen Englisch konnte. Am meisten fehlte uns allerdings die Natur. Den ganzen Beton und die Lautstärke der Stadt waren wir gar nicht mehr gewohnt. Wir sehnten uns nach Weite, Freiheit, Ruhe und Abenteuern.
Außerdem waren die Lebensmittel ganz schön teuer. Beispielsweise zahlten wir für 250g Kafeepulver umgerechnet neun Euro und das war der günstigste Kaffee, den wir finden konnten. Obst und Gemüse war eher etwas günstiger als in Deutschland, nur war die Qualität deutlich schlechter. Fleisch gab es ebenfalls relativ günstig zu kaufen. Sonst merkten wir die wütende Inflation vor allem bei den Milchprodukten wie Joghurt, Milch und Käse und hatten leider nicht mehr viel Freude am Einkaufen.
Dann war es endlich soweit, wir hatten die letzte Woche vor der Ankunft unseres Schiffes geschafft und es zeichnete sich keine weitere Verspätung mehr ab. Also konnten wir eine Unterkunft für das schöne Örtchen Colonia del Sacramento in Uruguay und die Fähre von Buenos Aires über den Rio de la Plata dahin buchen. Wir packten mal wieder unsere Taschen und Rücksäcke, fuhren mit dem Bus zum Startpunkt der Fähre und bekamen den ersten Stempel in unsere Pässe. Gut eine Stunde später waren wir auch schon drüben. Starke Wellen wirbelten das braune Wasser des „Silberflusses“ durcheinander, der Wind wehte recht heftig. Die Küste empfing uns rau und grün, viele Palmen wehten. Wir kamen nicht so spät an unserer Unterkunft an, sodass wir am gleichen Nachmittag noch etwas durch die älteste Stadt Uruguays mit ihrer wechselvollen Geschichte schlendern konnten. Nun ist es ein sehr süßer Ort, der nicht umsonst viele Touristen und Tagesbesucher anzieht. Bunte Blütenpracht mischte sich mit Kleinstadtfeeling unter grünen Alleen und der Allgegenwärtigkeit von Gebäuden und Mauern im Kolonialstil. Die schöne Altstadt wurde sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. Dazu noch ein paar Oldtimer, nette Cafés, kleine Läden, Kopfsteinpflaster und Sonnenuntergänge über dem Wasser am Leuchtturm. Die neu gewonnene Ruhe und Idylle sackte nach und nach, wir sind endlich der trubeligen Großstadt entkommen.
Unsere Reise durch Südamerika konnte nun endlich beginnen. Bald holten wir unsere Tilly aus dem Container und starteten durch. Doch dazu mehr im nächsten Bericht. Bis dahin, alles Gute!
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Deborah bei Wilde Weiten auf Rädern und zu Fuß
- Mutti Angela bei Wilde Weiten auf Rädern und zu Fuß
- Samuel bei Argentiniens Küste runter
- Deborah bei Südamerika, wir kommen!
- Deborah bei Eine Runde Uruguay gefällig?
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo,
zumindest habt ihr euch in Buenos Aires so genau umgeschaut wie nirgendwo anders bisher und das Beste daraus gemacht. Das Warten ist aber natürlich anstrengend!
Hi, ja wir denken nur ungern an diese ungewisse Wartezeit zurück. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt, es ist so toll mit unserer Tilly in Südamerika unterwegs zu sein 🥳