Bis ans Ende der Welt
Pinguine, Feuerland und der südlichste Süden
Das echte Wahrzeichen des südlichen Patagoniens? Nicht etwa nur die tollen Landschaften und schönen Berge, nein, es ist vor allem der fiese Wind, von dem alle reden. So hatten wir es mehrfach schon vor unserem Trip in den Süden gehört, von Reisenden aus erster Hand, aber auch Online aus Videos und Berichten zu diesem Gebiet. Es sollen sogar schon Autos während der Fahrt vom Wind umgepustet und seitlich gekippt worden sein, das größte Horrorszenario, was wir uns für unsere Tilly vorstellen können. Mit unserem Hochdach waren wir natürlich besonders aufmerksam und hatten auf so manchen Strecken schon etwas Sorge. Die Nächte waren dabei das größte Problem, weil wir dann etwas mehr ausgliefert waren, obwohl wir die Übernachtsungsspots möglichst sorgfältig auswählten. Es flogen viele Sachen in der Luft herum, Bäume in unmittelbarer Nähe waren also ebenfalls zu meiden. So parkten wir plötzlich direkt neben Hausmauern und hohen Gebäuden oder auch mal an einer Tankstelle, aber in besonders kritischen Nächten war selbst hier nicht an Schlaf zu denken. Es schaukelte einfach zu sehr und wir machten uns ständig über irgendwas Gedanken, schlimmstenfalls eben das komplette Umkippen des Autos. Wahrscheinlich tragen unsere Blattfedern Schuld an dem besonders intensiven Geschüttel, so kritisch wird es am Ende gar nicht gewesen sein (aber erzähl das mal deinem Gehirn mitten in der Nacht). An besagter Tankstelle war richtig viel los, so kam der Lärm von den laufenden Motoren der unzähligen Trucks noch hinzu, ständig fuhr einer los oder es kam gerade einer an. Weil sie hier auch warme Duschen für wenig Geld anboten, nutzten wir gleich die Gelegenheit, um den immer mal wieder anstehenden Ölwechsel zu erledigen und die Reifen zu rotieren. Wir suchten uns eine etwas windgeschütztere Ecke aus und wurden vom Personal sogar noch gefragt, ob sie uns helfen können oder wir noch etwas benötigten, wie lieb. (Was wohl passieren würde, wenn man in Deutschland einfach so an einer Tankstelle einen Ölwechsel machen möchte?) Frisch geölt und geduscht ging es weiter in den Süden. Der Monte Leon Nationalpark am Meer war wegen Überschwemmungen leider geschlossen, die Robben und Pinguine hatten also etwas Ruhe vor den Besuchenden.
Umso schneller waren wir schon in Rio Gallegos, die letzte größere Stadt vor Feuerland. Nach einem kleinen Stadtrundgang fuhren wir noch zum roten Schiffswrack in der Nähe und verbrachten die Nacht dort. Auf dem kiesigen und sandigen Untergrund musste man ein bisschen aufpassen, doch die Locals scheuten immer vor nichts zurück. Mit den kleinsten Autos fahren sie in die gefährlichsten Stellen und wundern sich dann, warum es nicht mehr weiter geht. Das ist immer spaßig anzuschauen. Diesmal konnten wir mit helfen und zusammen war das leichte Auto schnell aus der Kuhle geschoben. Mit heiklen Straßen ging es auch weiter, Schlagloch an Schlagloch reihte sich auf der Piste zum Cabo Virgenes aneinander. Das Kap markiert zugleich die südlichste Stelle des Festlandes von Argentinien (sozusagen außer Feuerland) und auch den Beginn der weltbekannten Ruta 40, die längste Nationalstraße Argentiniens und neben der Panamericana die bekannteste Fernstraße ganz Südamerikas. Von hier führt sie bis hoch an die Grenze zu Bolivien. Aber nicht überall auf der Ruta 40 ist es so holprig wie hier. In den ganzen Jahren mit unserer Tilly und auf all den schlechten Straßen ist es hier das erste Mal passiert, dass uns ein Stück Geschirr kaputt gegangen ist. Meinen geliebten Teller mit dem roten Schnörkelrand konnte ich am Kap angekommen nur noch in zwei Teilen bergen. Die Opfer des Reiselebens…
Am Leuchtturm und dem Kilometer Null mussten wir natürlich ein Erinnerungsfoto schießen und dann ging es endlich zu den Pinguinen. Wer hätte gedacht, dass so viele Pinguine auf einem Fleck leben können? Es war unglaublich. Sobald wir die Tore zum geschützten Bereich öffneten, hockten überall in den grünen Büschen die mittelgroßen Magellanpinguine herum. In ihrem schwarz-weißen Federkleid mit dem hellen Bauch und den typischen Linien sahen sie alle gleich aus und röhrten auf der kleinen Straße vor sich hin. Alle liefen aufgeregt durcheinander, als wir uns langsam Richtung Parkplatz bewegten. Außer uns war kein Mensch zu sehen, der Parkplatz war leer und auf der Spazierrunde an den Nestern und am Ozean entlang begegneten wir ebenso niemandem. Als es schon dunkel wurde, wurde es Zeit für die süßen Brillenpinguine die Tagesreise im Meer zu beenden und an Land zu watscheln. Wir hatten es mit einer Autobahn an Vögeln zu tun, alle wanderten wie gleichgeschaltet in eine Richtung, schauten wir zum Meer, sahen wir weiße Bäuche, schauten wir ins Inland waren nur schwarze „nalgas“ (Hinterteile) zu sehen. Es war ziemlich komisch anzuschauen. Die letzten Kameraden waren gerade noch so flink und agil im Wasser unterwegs, hüpften dann mit einem kräftigen Satz aus den Wellen und kämpften sich bestimmt einen Kilometer weit bis zu ihrem Nest. Keine Ahnung, wie die alle genau ihren Partner und ihr Nest wiederfinden können, Tag für Tag. Nach unserem Abendspaziergang durch die Pinguinwelt konnten wir direkt auf dem Parkplatz die Nacht verbringen. Zum Frühstück besuchte uns ein besonders neugieriger Vogel im Frack am Auto und schaute, was wir so machten. Die Spazierrunde sind wir dann gleich nochmal gegangen, diesmal verlief die Autobahn in die umgekehrte Richtung, alle Pingus wollten ins Meer. Zurück blieben flauschige halbgare Küken, die eher bläulich gefärbt waren. Nun war es Zeit, sich von den lustigen Gesellen zu verabschieden und den Rückweg nach Rio Gallegos anzutreten. Wir drehten den Schlüssel im Schloss um, doch nichts passierte. Die Batterie machte Probleme. Gut, dass mittlerweile noch ein anderes Auto auf dem Parkplatz stand. Sehr freundlich und hilfsbereit packte der Mann sofort seine Starterkabel aus und so konnte es für uns zügig losgehen. Diese Situation passierte gleich noch zweimal, am folgenden Morgen am Fluss nicht weit von einer belebten Straße und in der Stadt auf einem Parkplatz, wo uns zwei reisende Rentner beim Anschieben geholfen haben (die Oma war voll dabei), während wir nebenbei noch ein Interview mit zwei jungen Leuten zur Stadt geben mussten. Dann konnten wir endlich eine neue Batterie kaufen und ließen die alte in einem ärmeren Viertel stehen, irgendjemand kann bestimmt noch was damit anfangen.Vorbei an ehemaligen Vulkanen und Ebenen voller schwarzem interessant verformtem Lavagestein ging es nun das erste Mal nach Chile und gleich darauf zur Fähre nach Feuerland. Die LKW stauten sich vor der recht kleinen Fähre, wetterbedingt muss diese manchmal einfach ausfallen. Zum Glück gab es eine extra Schlange für Autos, sodass wir nur eine Stunde warten mussten. Das Wetter war rau, doch der Wellengang noch aushaltbar. Die Überfahrt dauerte keine Stunde. Nun waren wir auf Feuerland! Wir fuhren noch ein bisschen und fanden einen sehr schönen Platz am Fluss neben einem kleinen Dorf. Da wir unser gesamtes Obst und Gemüse an der Landesgrenze immer abgeben müssen und im Dorf nichts fanden, wurde das Abendessen etwas fad. Im Dörfchen gab es am nächsten Morgen aber sogar noch eine heiße gratis Dusche, das erfreut uns immer sehr. Schon ging es wieder rüber nach Argentinien, diesmal Richtung Südost. Am Lago Fagnano trafen wir das deutsche Pärchen Bettina und Karli wieder, fuhren dann aber getrennter Wege, wir gen Süden, sie gen Norden. Außerdem gab es noch eine Gruppe von fünf Pferden mit zwei australischen Reitern, die von da unten noch bis hoch nach Alaska reisen/reiten wollen, wow.
Jetzt war es Zeit für Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt! Doch bevor wir durch die Stadttore rollten, wanderten wir an zwei Tagen zu zwei Lagunen. Die Laguna Turquesa war wirklich von schönem Blau, mit Sonnenschein hätte sie wohl noch intensiver geleuchtet. Die Laguna Esmeralda war viel touristischer und sehr gut besucht, einige Tourenanbieter machten hier halt. Auch in Ushuaia begegneten wir so vielen Touristen wie schon lang nicht mehr. Grund dafür sind die vielen Kreuzfahrtschiffe, die im Hafen ankern. Durch die Lage im äußersten Süden werden hier Kreuzfahrten in die Antarktis angeboten, ein Ziel der besonderen Art, aber sicherlich auch besonders kostenintensiv. Wir fragten kurz nach den besten Preisen herum, mussten bei 4000 Euro pro Person für zehn Tage (das ist schon das Last-Minute-Angebot) aber doch lieber Abstand nehmen. Stattdessen stellten wir uns an den Beagle-Kanal mit tollem Blick auf die Stadt und die Berge und genossen das Panorama. Es war ganz schön kalt, einmal bekamen wir sogar Schnee ab, als wir gerade unter unserer Dusche standen. Jetzt zahlte sich unsere Dieselheizung aus. Wir wanderten zu einer idyllischen Estancia und fuhren zum äußersten Ende der Straße, immer am Beagle-Kanal entlang. Leider sahen wir keine Wale, nur einmal kurz ein paar Delfine. Der Drive war sehr schön, grün und naturnah, das Ziel war dann nicht gerade spektakulär, denn die Straße endete einfach vor einer kleinen Militärstation. Rückzu lernten wir noch ein Schweizer Pärchen kennen, die auch so einen tollen Land Cruiser Troopy hatten wie wir, nur anstelle des Hochdachs ein Aufstelldach. Die beiden trafen wir später immer mal wieder. Zurück in der Stadt platzierten wir uns wieder an unserem Lieblingsspot, dann ging es weiter zum Feuerland-Nationalpark. Dort konnte man in schöner Natur herumspazieren und die südlichste Poststelle der Welt besuchen. Danach erklommen wir noch den Cerro Susana am Rande der Stadt und hatten das Kap Horn zum Greifen nah vor uns. Der Blick von da oben war unglaublich schön! Mit einem Pärchen aus Australien kletterten wir außerdem zum Vinciguerra Gletscher empor, eine Wanderung, die den ganzen Tag füllte. Der Gletscher war sehr groß und sehr blau, man konnte fast hinein kriechen. Beeindruckend, wie dick und mächtig das Eis war. Auf dem Weg zurück nach Tolhuin war uns ein bisschen nach Abenteuer zumute. Es gab einen kleinen Offroad-Rundweg am Lago Fagnano, mit Holztoren abgesperrt. Die erste Challenge bestand also darin, den Schlüssel zu finden. Nach ein paar Minuten entdeckten wir ihn schließlich gut hinter einem Baum in einer Kaffeetasse versteckt. Wir verschafften uns Zugang zu dem doch oftmals recht ausgewaschenen und schrägen Pfad am See entlang. Irgendwann sind wir dann falsch abgebogen, man hätte weiter am See bleiben und einige hundert Meter durch das knietiefe Wasser fahren müssen. Stattdessen kämpften wir uns durch den Wald, blieben aber bald stecken, weil ein schräger Baumstamm quer über den Weg hing und für unsere Höhe nicht genug Raum bot. Auf einmal war Sven Feuer und Flamme, das war die Gelegenheit, unsere Winde endlich zu benutzen! Schnell waren die Gurte und Rollen herausgekramt, die Winde startbereit. In langsamen Zügen bewegte sich der Stamm rückwärts und seitwärts, wir wollten ihn neben den Weg ziehen, um gerade so daran vorbei zu kommen. Das Gestrüpp am Wegesrand machte es uns nicht leicht. Nach einer ganzen Weile hatten wir es dann geschafft und passten gerade so an den Hölzern vorbei, es war echte Maßarbeit. Beim Ausgangstor fanden wir den Schlüssel in einer alten Sardinendose unter einem Stein versteckt und machten uns dann auf den Weg zu einer überschaubaren Lagune des Sees, dort wollten wir gern übernachten.Nächstes Ziel ist die chilenische Seite von Feuerland und das Dörfchen Caleta Maria. Dort hoffen wir, die hübschen Königspinguine zu Gesicht zu bekommen. Aber darüber mehr im nächsten Bericht.
An die vielfältigen Eindrücke dieser Wochen denken wir jetzt schon gern zurück. Die großartige Natur und etwas Zivilisation ab und an sind immer wieder eine gute Mischung fürs Reisen.
Neueste Beiträge
Neueste Kommentare
- Deborah bei Wilde Weiten auf Rädern und zu Fuß
- Mutti Angela bei Wilde Weiten auf Rädern und zu Fuß
- Samuel bei Argentiniens Küste runter
- Deborah bei Südamerika, wir kommen!
- Deborah bei Eine Runde Uruguay gefällig?














































