Ab in den Süden

Pünktlich zu Silvester fuhren wir in das neue Reiseland Argentinien ein. Wir hatten uns eine kleinere Stadt für den Jahreswechsel ausgesucht und standen Punkt Mitternacht auf der roten Hauptbrücke. So wie wir die Argentinier einschätzten, konnten wir einiges an Böllerei und Musik erwarten. Doch leider passierte zunächst gar nichts. Nach einer ganzen Weile stiegen vereinzelt ein paar Raketen in die Luft, dann war es auch schon wieder ruhig. Wir holten noch den Sekt zum Anstoßen aus dem Kühlschrank und tranken auf ein erlebnisreiches neues Jahr!
Als ruhig und nicht sonderlich sehenswert wurde unter Reisenden auch die Ruta 3 gehandelt, die an der Küste entlang in den Süden führt. Wir wollten uns diesen Abschnitt jedoch nicht entgehen lassen und fanden recht viele interessante Orte zum Anhalten und Entdecken vor. Einige Tierbegegnungen waren auch dabei, zum Übernachten standen wir oft an schönen Plätzen und waren somit ganz glücklich mit unserer Entscheidung.

Auf dem Weg zu den Ruinen der einst überfluteten Stadt Epecuén kamen wir an einem See voller Flamingos vorbei. Die gab es auch im See Epecuén, wo das Wasser so salzig ist, dass wir uns wie im Toten Meer auf der Oberfläche treiben lassen konnten. Die Flamingos waren nicht weit, das Wasser ziemlich grün. Dementsprechend frequentiert waren die Duschen am Strand, wo jeder zwei Durchgänge brauchte, um das ganze Salz vom Körper zu waschen. Im kleinen Museum an einer abgelegenen Staubpiste lernten wir die Geschichte des ehemaligen Kurortes kennen. Bis 1985 empfing der Ort Bade- und Kurgäste, dann führten starke Niederschläge und ein schlecht gewarteter Abfluss dazu, dass die Stadt innerhalb von ein paar Stunden im Wasser versank. 25 Jahre später lag sie wieder frei und kann nun besichtigt werden. Am salzigen Strand staken einige tote Bäume in die Höhe, im Hintergrund diente eine alte Fleischfabrik als Fotomotiv.

Wir hangelten uns weiter an der Küste entlang gen Süden und planten, etwas unterhalb der Stadt Viedma einen Abend bei der weltweit größten Papageienkolonie zu verbringen. Dann liefen wir ein Stück den schönen breiten Strand entlang. Überall entdeckten wir schon die Löcher in den Sandsteinfelsen, die den Vögeln als Unterschlupf dienen. Noch waren wir zu früh dran und zogen deswegen das Abendessen vor. Frisch gestärkt konnten wir später zum Sonnenuntergang die Schwärme an edel gefärbten Felsenpapageien bestaunen. Ihr petrolfarben und gelb schimmerndes Federkleid glänzte im Abendlicht, sie führten uns eine Flugshow vor. Immer mehr von ihnen verschwanden schließlich in ihren Nestern, manche saßen noch eine Weile auf dem Absatz und beschauten sich den Abend. Es wurde dunkel, das Krächzen der Tiere leiser. Wir suchten uns einen Platz an einer alten Seitenstraße und hatten eine erholsame Nacht.
Der nächste Morgen war sehr warm und sonnig. Wir kamen an schönen Stränden mit Rockpools und Ferientouristen vorbei und machten uns auf den Weg zur nächsten Tierbesichtigung. Eine unglaubliche Anzahl an Robben erwartete uns hinter dem Besucherzentrum am Meer. Durch das Fernglas konnten wir die Tiere genau beobachten und hatten vom jüngsten Robbenbaby bis zu ausgewachsenen Kerlen alles vor der Linse. Bei der schieren Masse an Tieren, die gar nicht weit weg waren, konnten wir sie mit bloßem Auge schon gut überblicken. Hier war es genauso laut wie bei den Papageien, nur ertönten die Rufe tiefer und langgezogener, doch ab und zu waren auch kurze kehlige Schreie dabei.

Bald fuhren wir durch ein sandiges Örtchen am Meer, das beinah von den Dünen verschluckt wurde und trafen beim Baden auf ein paar Deutsche. Wir verbrachten den Abend zusammen an der nächsten Sanddüne und saßen unter den Sternen beisammen. In der Nacht wurden wir von einem heftigen Gewitter überrascht, blöd, dass wir gerade mitten in flacher freier Natur auf einer Düne standen. Die Blitze schlugen ziemlich dicht neben unseren Autos ein, das hielt uns ein paar Stunden wach. Wir verließen lieber unseren Spot auf dem Sandberg und unser Bett im Dach und machten es uns im unteren Teil des Autos gemütlich. Vor die vielen Metallteile packten wir ein paar Kissen und Decken. Irgendwann war es dann endlich vorbei und wir trauten uns wieder zurück in das kuschelige Bett.

In Puerto Madryn kümmerten wir uns um die Wäsche und standen dann am südöstlich gelegenen Zipfel ein paar Tage am Meer. Von unseren Klippen aus konnten wir den Strand gut einsehen und erspähten am Abend einen einzelnen Pinguin. Wo einer ist, muss es doch noch mehr geben. Also machten wir uns am folgenden Morgen auf die Suche, kraxelten die Klippen zum Strand hinunter und wanderten eine Weile auf dem Kies entlang. Hinter zwei Felsen standen plötzlich drei Pinguine und waren ganz aufgeregt, uns zu sehen. Wir versuchten, etwas Abstand zu halten, doch die Tiere waren neugierig und kamen auf uns zu. Mit der Hoffnung, noch mehr Pinguine zu erspähen, legten wir noch ein paar hundert Meter zurück und hatten in der nächsten Bucht wirklich viele Tiere vor uns. Die Kleinen piepsten in den Büschen neben dem Kiesstrand herum. Es war ein reges Treiben, ein Kommen und Gehen, ins Wasser gleiten und heraus springen, über den Strand watscheln und hopsen, alles in feinster Pinguinmanier. Voller Freude beobachteten wir die kleinen Wesen. Noch ein Stück weiter hinten kamen wir an riesigen Walknochen vorbei und hatten nun weitere Grüppchen Pinguine vor uns. Viele von ihnen machten sich auf den Weg ins Meer oder kamen gerade wieder heraus. Dann entdeckten wir eine Robbe in den Wellen, sie machte offensichtlich Jagd auf unsere kleinen Freunde und schoss behände durch die Fluten. Diesmal hatte sie wohl kein Glück und zog bald von dannen. Hier war die Begegnung mit den Tieren für uns ein sehr persönliches und nahes Erlebnis, keine Menschen rundherum, das werden wir wohl nicht wieder vergessen.

In den Küstenlandschaften um Puerto Madryn und weiter südlich, auf über 700 Kilometern Schotterpiste, begegneten wir neben hamsterartigen Kleintieren und einer überfahrenen Schlange den ersten Guanacoherden und einigen Nandus. Besonders die flauschigen Guanacos ließen nun so richtiges Südamerikafeeling aufkommen. Sie waren sehr hübsch anzusehen und hatten in ihrer Herde meist Nachkommen dabei, die versuchten, mit ihren kurzen Beinen Schritt zu halten. Oft musste die ganze Herde Zäune überwinden, wobei die Kleinen es natürlich besonders schwer hatten. Die Landschaft war trocken und karg, manchmal kam es uns wie das Ende der Welt vor. Wir begegneten nur sehr vereinzelt ein paar Locals und waren sonst allein auf weiter Flur. Schließlich trafen wir in Comodoro Rivadavia wieder auf Zivilisation und standen ein paar Nächte am südlichsten Seebad der Erde, in Rada Tilly. Dieser Ort gefiel uns nicht nur wegen des Namens besonders gut. Ebenso konnten wir wunderbare Strandspaziergänge unternehmen und von den beiden Aussichtspunkten ober- und unterhalb der Bucht sogar Wale und Robbengruppen durchs Fernglas sichten. Es handelte sich laut einem Einheimischen wahrscheinlich um Seiwale, jedenfalls tauchte jedes Mal eine kleine schräge Finne am langen schlanken Körper aus dem Wasser auf. Dies ist eine stark gefährdete Art, anscheinend gibt es weltweit es nur noch 50 bis 60 Tausend Exemplare. Wir zogen noch weiter bis Caleta Olivia, wo wir neben vielen einheimischen Touristen am Strand hockten und sogar hier gar nicht weit von den Booten und Kayaks der Urlauber nochmal ein paar Wale entdeckten. Jetzt verabschiedeten wir uns erstmal vom Meer, wir hatten uns für einen Abstecher ins Landesinnere Richtung Berge entschieden und steuerten auf Los Antiguos und den Buenos-Aires-See zu. Wir passierten zahlreiche Ölförderungsanlagen, die mit ihrem beständigen Pumpen markante Sichtungen in der Weite waren. Dann hatten wir endlich die sagenumwobenen Berge Südamerikas in Sicht. Zumindest einen Teil davon. Und große Seen mit glasklarem Wasser gab es auch.

Von Offroadpisten und Wandertouren lest ihr im nächsten Bericht. Die weite Natur Patagoniens hielt so einige Überraschungen für uns bereit.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • Es scheint so, als wären die Tiere zumindest in diesem Teil eurer Reise deutlich in der Überzahl gewesen (im Vergleich zu Begegnungen mit Menschen)! Aber in den bergigen Regionen ist das bestimmt nicht anders gewesen…

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